von altgriechisch autós ‚selbst‘
Ausschlaggebend für die Diagnose im Autismus-Spektrum ist, dass die Anzeichen bereits in der frühen Kindheit zu beobachten sind. Auch bei der Diagnostik von Jugendlichen und Erwachsenen wird stets nach Hinweisen aus der Kindheit gesucht. Zeugnisse, Therapieberichte, und natürlich Aussagen von Eltern, älteren Geschwistern, usw. können hier Aufschluss geben.
Historisch wird der Begriff „Autismus“ seit über 100 Jahren in Medizin verwendet. Eugen Bleuler beschrieb damit ein Symptom der Schizophrenie, das Menschen dazu veranlasst sich aus dem sozialen Leben zurück zu ziehen und sich vorrangig für sich selbst zu interessieren. Später verwendete Sigmund Freud den Begriff fast synonym für das Verhalten, das wir heute als Narzissmus kennen.
Ab den 1930er Jahren beschäftigten sich, unabhängig von einander, zwei deutschsprachige Psychiater mit verhaltensauffälligen Kindern. Fast zeitgleich beschrieben sie die Syndrome, die wir heute als Kanner- und Asperger-Autismus kennen.
Leo Kanner arbeitete in den USA überwiegend mit Kindern, die sehr früh bereits durch ihre Entwicklungsstörung und auffälliges Verhalten in ärztliche Obhut kamen. Seine Beschreibungen entsprechen dem heute als „frühkindlichen Autismus“ bekannten Syndrom.
Hans Asperger bezeichnete das von ihm in Wien beobachtete Syndrom als „autistische Psychopathie“. Er schrieb überwiegend über Kinder, deren soziale Interaktion eingeschränkt war, aber Sprache und Intelligenz wenig negativ auffielen. Erst in den 1980er-Jahren wurden seine deutschen Schriften wiederentdeckt und fanden in Fachkreisen durch Lorna Wing Anerkennung als „Asperger-Syndrom“.
Da vorallem Jungen beobachtet wurden, und diese meistens wegen ihres extrovertierten und problematischen Verhalten negativ auffielen, gibt es vorallem Klischees, die sich darauf beziehen. Dabei werden introvertierte und/oder weibliche Autisten oft übersehen.
In den letzten Jahren haben Persönlichkeiten wie Temple Grandin, Tony Attwood und in Deutschland Dr. Christine Preißmann entscheidend dazu beigetragen, dass nun auch die durch Masking unauffälligen und anpassungsfähigen Autisten eine passende Diagnose bekommen können.
Mit fortschreitender Bekanntheit kristallisierte sich heraus, dass es kaum noch möglich war, alle Autisten, die vorher häufig aus Unkenntnis falsche Diagnosen bekamen, in zwei Kategorien einzuteilen. Zu oft konnten Mischformen beobachtet werden, was die Kategorie des atypischen Autismus notwendig machte. Vorallem das Zeitkriterium veranlasste Ärzte diese Klassifizierung zu wählen.
Mittlerweile wird in der Fachwelt, aber auch von Betroffenen, von einem Autismus-Spektrum gesprochen. Damit soll verdeutlicht werden, dass Autisten so unterschiedlich sind, wie die Farben eines Regenbogens.
„Wenn du einen Autisten kennst, dann kennst du einen Autisten.“
ICD 10
Kapitel V
- F84.- Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
- F84.0 Frühkindlicher Autismus
- F84.1 Atypischer Autismus
- F84.2 Rett-Syndrom
- F84.3 Andere desintegrative Störung des Kindesalters
- F84.4 Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien
- F84.5 Asperger-Syndrom
- F84.8 Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen
- F84.9 Tiefgreifende Entwicklungsstörung, nicht näher bezeichnet
https://www.icd-code.de/icd/code/F84.-.html
Seit Januar 2022 ist das neue ICD-11 gültig.
Aber während einer Übergangsphase von ca. 5 Jahren kann weiter das ICD-10 zur Verschlüsselung verwendet werden.
ICD 11
Autismus-Spektrums-Störung:
Es gibt scheinbar noch keine vollständig übersetzte Version des neuen ICD11, obwohl es mittlerweile offiziell gültig ist. Deshalb hier die englische Originalfassung der WHO:
06 Mental, behavioural or neurodevelopmental disorders
- Neurodevelopmental disorders
- 6A02 Autism spectrum disorder
- 6A02.0 Autism spectrum disorder without disorder of intellectual development and with mild or no impairment of functional language
- 6A02.1 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with mild or no impairment of functional language
- 6A02.2 Autism spectrum disorder without disorder of intellectual development and with impaired functional language
- 6A02.3 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with impaired functional language
- 6A02.5 Autism spectrum disorder with disorder of intellectual development and with absence of functional language
- 6A02 Autism spectrum disorder
https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2ficd%2fentity%2f437815624
Grob übersetzt wird es also künftig eine Unterteilung nach Vorhandensein einer Intelligenzstörung und/oder Sprachbeinträchtigung geben:
- 6A02.0 ASS ohne Intelligenzstörung und mit milder oder ohne Sprachbeeinträchtigung
- 6A02.1 ASS mit Intelligenzstörung und mit milder oder ohne Sprachbeeinträchtigung
- 6A02.2 ASS ohne Intelligenzstörung und mit Sprachbeeinträchtigung
- 6A02.3 ASS mit Intelligenzstörung und mit Sprachbeeinträchtigung
- 6A02.5 ASS mit Intelligenzstörung und nonverbal
Dementsprechend werden bisher als Asperger-Autisten diagnostizierte Menschen vorraussichtlich, abhängig von der Sprachentwicklung, in Subgruppe 0 oder 2 eingeteilt.
Frühkindliche Autisten werden eher in den Gruppen 2, 3 oder 5 zu verorten sein.
Klassische Definition des atypischen Autismus ist das Nichtvohandensein einer Sprachentwicklungsstörung vor dem 3. Lebensjahr. Somit stehen die Gruppen 0 und 1 zur Verfügung.
Die Diagnose Atypischer Autismus wurde aber in den letzten Jahren auch von einigen Psychiatern vergeben, wenn sie sich nicht sicher sind, welche Autismusform zutrifft, unabhängig von der Sprachentwicklung, oder wenn nicht alle Kriterien voll erfüllt sind, beispielsweise bei der Diagnostik von Erwachsenen oder von Kindern mit diversen Komorbiditäten. Das lässt den Schluss zu, dass atypische Autisten entweder künftig garkeine Autismusdiagnose mehr erhalten, oder jeder Gruppe zugeordnet werden können.
(Übersetzung und Hypothese ohne Gewähr, eigene Meinung)